Frankfurter Rundschau
Meister und Querkopf
Online vom 26.03.2023
Von: Torsten Weigelt
Die Galerie Rubrecht erinnert mit einer neuen Ausstellung an den Künstler Leo Leonhard.
Ein Anstreicher hat damit begonnen, ein Fresko des venezianischen Barockmalers Tiepolo zu übertünchen, das Leo Leonhard in seinem Gemälde „Roll over Tiepolo“ gleichzeitig handwerklich perfekt imitiert hat. Dieses Spiel mit Aneignung und Überwindung der Tradition prägt mehrere der Bilder, die seit dem vergangenen Wochenende in der Wiesbadener Galerie Rubrecht zu sehen sind.
Ziel der neuen Ausstellung sei es, dem 2011 verstorbenen Leo Leonhard posthum die Anerkennung zu verschaffen, die er verdiene, erläuterte Galerist Leander Rubrecht bei der Vernissage. Seit Sommer 2022 bereitet er zusammen mit einem fünfköpfigen Team den Nachlass des Künstlers auf, der zuletzt in Bickenbach an der Bergstraße gewohnt und gearbeitet hat. Überzeugt habe ihn „an allererster Stelle die Qualität“, so Rubrecht. Deshalb habe er sich dazu entschieden, erstmals überhaupt den Nachlass eines Künstlers zu betreuen.
Unterstützt wird der Galerist dabei vom Sohn Leonhards, Florian, der eigens aus London zur Ausstellungseröffnung angereist war. Sein Vater sei ein Querkopf gewesen, der sich nie in den Mainstream des Kunstschaffens seiner Zeit eingefügt habe, berichtete der 60-Jährige. Zudem habe er sich nicht auf einen Stil oder eine Arbeitsweise festgelegt. So sind unter den insgesamt 300 Werken im Nachlass Leo Leonhards neben Ölgemälden auch zahlreiche Aquarelle und Lithographien zu finden. „Was er geschaffen hat, ist etwas Zeitloses“, findet Florian Leonhard. Wobei die Arbeiten nicht selten aktuelles gesellschaftliches Geschehen reflektieren wie Umweltzerstörung („Der Bagger“) oder Krieg („Auf der Flucht“). Diese Vielfalt von Form und Inhalt zeichne die Arbeit seines Vaters ebenso aus wie die Bezüge zur Kunstgeschichte und sein handwerkliches Können, erläutert Florian Leonhard.
Schon 1962, als Student an der progressiven Düsseldorfer Kunstakademie, schuf Leo Leonhard ein Selbstporträt, in dem er sich im Stil der alten Meister à la Dürer oder Rembrandt in Szene setzt. Auch dieses ist in der Wiesbadener Ausstellung zu sehen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Werken ist es aber unverkäuflich. „Das Bild gehört zu meinem Leben“, sagte Christel Leonhard, die Witwe des Künstlers. Und das solle auch so bleiben.
Vom Verkauf seiner Kunstwerke habe die Familie nie leben können, berichtet Christel Leonhard. „Wir waren keine Marketingprofis.“ Den Lebensunterhalt verdiente Leo Leonhard unter anderem als Ausbilder für die Kunsterzieher am Studienseminar Darmstadt. Von 1987 bis 2004 hatte er eine Professur für Zeichnen an der Fachhochschule Mainz inne.
Den Versuch, ihn nun wieder in die Öffentlichkeit zu bringen, betrachtet seine Witwe mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite sei sie froh über die neue Anerkennung. Auf der anderen Seite empfinde sie aber auch Wehmut, dass sie nun einige der Werke nicht mehr direkt um sich habe.