RÖMER + RÖMER
Das Werk von Römer + Römer umfasst Malerei, Fotografie, Digitale Kunst, Druckgrafik und Performance. Zudem kuratieren sie Ausstellungen. Ihre Reflexion über die Beschaffenheit von digitalen Bildern in der Fotografie und im Internet führte zu der malerischen Technik, die den Charakter aller ihrer Werke bestimmt. Die Übertragung von selbst aufgenommenen Fotografien in großformatige Tafelbilder geschieht in vielen Abstraktionsschritten. Das Paar zerlegt seine Motive auf der Leinwand in Farbflächen und tausende gemalte Punkte, die sich aus bestimmter Distanz im Auge des Betrachters zu einem scharfen Bild verbinden. Je näher man an das Werk herantritt, desto mehr verlieren sich Menschen und Gegenstände im abstrakten Spiel der Farben. Das als realistisch erscheinende Abbild entlarvt sich als Illusion. Im Gegensatz zum impressionistischen Pointillismus können die Farbpixel als Referenz auf die digitale Bilderflut im Zeitalter des Selfiezismus gedeutet werden.
Begleitet von der Aufbruchsstimmung und Veränderung Berlins ist zwischen 2004 und 2007 für das Künstlerpaar in ihrer Malerei der Blick auf das urbane Leben und das Lebensgefühl der jüngeren Generationen von besonderem Interesse. Seit 2008 konzentrieren sie sich auf Motive, die sie auf Reisen durch Asien, Südamerika, Nordafrika, den Nahen Osten, Russland und verschiedene europäische Länder auf subtile Weise einfangen und sammeln. Sie integrieren sich in die Eigenheiten der verschiedenen sozialen Kontexte, um Kerngedanken der globalisierten Welt zu formulieren und malerisch umzusetzen. Größere Bildserien entstehen so über Cosplay in Peking (2009), über Japan mit dem Zyklus 50 Ansichten des Berges Fuji vom Zug aus betrachtet (2009) als Hommage an Katsushika Hokusai und Utagawa Hiroshige, über die Hafenstadt Busan in Südkorea (Die Flut, 2010), die Banlieus von Paris (2010), über Israel (2011) und den Gay Pride im englischen Brighton (2011). Aus der Recherchereise nach Brasilien der Werkzyklus entsteht Sambódromo (2013) über den Karneval in Rio de Janeiro, der kostümierte Tänzer und Akteure vor ihrem Auftritt im Bereich des Stadions, dem Concentraçao, zeigt. Zwischen 2013 und 2016 setzen sich Römer + Römer mit dem Musik-Festival Fusion auseinander, das alljährlich auf einem ehemaligen sowjetischen Militärflughafen in Mecklenburg-Vorpommern stattfindet. 2017 reist das Künstlerpaar zur Bildrecherche über das legendäre Burning Man Festival in die Wüste von Nevada, USA. Feuer-, Licht- und LED-Inszenierungen, freakige Installationen, Art Cars, Burns und Partys inmitten der ephemeren Stadt Black Rock City sind in ihrer Malerei fokussiert. Ihre neueste Bildserie entspringt ihrem Aufenthalt auf der Insel Mauritius.
Ninel, 2024
Von Römer + Römer
2024
Weder Fenster noch Straßenlaternen spenden Licht. Die Schweiz ist aus der Zeit gefallen – zum Klausjagen in Küssnacht, den Funkensonntag in Liestal und zu Frau Fasnacht in Basel.
Die mittelalterlichen Gassen versinken in die Dunkelheit des Winters. Dreiklänge von Glocken, Blasinstrumenten und Trommeln hallen von den alten Gemäuern wider. Weiße Gewänder schimmern in der Nacht.
Wandernde Kirchenfenster aus Pappmaché und Seidenpapier durchbrechen die Finsternis.
In Flammen stehen die getragenen Föhrenholz-Besen und gezogenen Eisenkessel. Feuer züngelt an den Häuserfassaden und Kleidern. Die Hitze erreicht ihren Höhepunkt.
Zum Morgenstraich zwitschern die Piccoloflöten. Cliquen aus fiktiven Gestalten, Vagabunden, Hofnarren und Karikatur Figuren flanieren durch die Altstadt. Eine Erinnerungstäuschung an die hedonistische Rokoko-Epoche und die Commedia dell’arte. Kleine Laternen thronen auf den Köpfen und dienen als Zepter in den Händen. Kopfsteinpflaster sind von buntem Konfetti bedeckt.
Aufnahmen mit hoher Lichtempfindlichkeit fangen filigrane Farbabstufungen ein. Sekundenbruchteile werden zu Öl-Gemälden.
Heidnisch anmutende Szenen aus der heutigen Zeit, unabhängig von Konfession und Stand, halten den Ausnahmezustand fest. Alles ist in Bewegung.
Immer wieder wurden solche Festlichkeiten von den Autoritäten untersagt. Die Hingabe an die Welt, nicht an Gott, galt als Gegenwelt zum Paradies und war widergöttlich. Selbst Martin Luther verurteilte die Bräuche, bemerkte jedoch gleichzeitig: „Man muss bisweilen mehr trinken, spielen, Kurzweil treiben und dabei sogar irgendeine Sünde riskieren, um dem Teufel Abscheu und Verachtung zu zeigen, damit wir ihm ja keine Gelegenheit geben, uns aus Kleinigkeiten eine Gewissenssache zu machen…“