Badische Zeitung
Inflation und Corona zum Trotz:
Die art Karlsruhe öffnet wieder
Von Marco Krefting & dpa, Mi, 06. Juli 2022
Weil sie traditionell im Februar stattfindet, ist die art Karlsruhe nur 2021 Corona zum Opfer gefallen. Doch der Wiederaufnahme fiebern nicht nur die Galeristen entgegen. Das Spektrum der präsentierten Kunst ist weit.
Mal ist es ein Collage aus bunten Notizzetteln, die einen gelb-rot-eingefärbten Gullydeckel in blauer Umgebung zeigt. Mal sind es schwungvolle Linien aus Tusche, die die Wiesbadenerin Nina Stoelting zur Musik von Komponisten wie Erich Wolfgang Korngold und Ludwig van Beethoven übers Papier gezogen hat. Mal sind es Mosaike aus Schwämmen, mit Acryl gefärbt und mit Harz überzogen. Wenn die Kunstmesse art Karlsruhe an diesem Donnerstag ihre Pforten öffnet, bekommen die Gäste wieder ein Potpourri aus rund 120 Jahren der klassischen Moderne bis zur Gegenwartskunst geboten.
Mehr als 200 Galerien aus zwölf Ländern stellen bis Sonntag auf dem Messegelände in Rheinstetten aus. Dass Inflation und Krieg die Kauflust wahrer Kunstliebhaber und -liebhaberinnen trüben könnten, glaubt Galerist Johann Döbele aus Mannheim nicht. In einer Ecke an seinem Stand, fast ein wenig versteckt, hängt die "Schwester" von Hermann Glöckner, die der Dresdner Künstler laut Döbele zeitlebens als unverkäuflich deklariert hatte. Auch jetzt, Jahre nach dem Tod des Erschaffers, könne nicht jeder das auf den ersten Blick schlicht wirkende Porträt einer Nonne erwerben, sagt der Galerist. "Wer nicht die Sensibilität, das Wissen darum hat, an den verkaufen wir nicht."
Mehrere Tausend Euro für ein Werk können Interessierte problemlos loswerden auf der Messe. Vom kleinen Postkartenformat bis zu großen Hinguckern ist alles dabei. Am Stand von Döbele etwa hängt
eine Art Wimmelbild des gebürtigen Ingolstädters Bodo Rott. In verschiedenen Farben scheinen sich florale Elemente ständig zu überlappen. Auch nach mehreren Minuten kann der Betrachter immer noch
Neues entdecken.
Wenige Schritte weiter in Halle 4 läuft man an Gebilden vorbei, die leicht an das Corona-Virus erinnern: Tatsächlich hat Anke Eilergerhard hier aber überdimensionale Pollen in rot und weiß per
Hand aus Silikon gespritzt. Im "Pollen Archive" hängen sie in Plexiglasboxen und können frei oder in bestimmten Mustern angeordnet werden, wie Marina von Morr von der Galerie Anna Laudel mit
Standorten in Düsseldorf und der Türkei erklärt.
Apropos Corona: Auch wenn die Messe nach einem Jahr Pause wieder stattfindet, ist sie doch in mehrfacher Hinsicht durch die Pandemie geprägt. Statt wie sonst üblich im Februar wurde sie dieses Mal in den Sommer verlegt. Die Öffnungszeiten wurden angepasst, um abends im Skulpturengarten zwischen den Messehallen Kulturgenuss unter freiem Himmel bieten zu können. Doch die hohen Inzidenzzahlen hinterlassen trotzdem Spuren: Mehrere Kunstschaffende mussten ihr Kommen absagen.
Wer der Pandemie trotzt und zur art kommt, kann am Stand von Anna Laudel unter anderem auch die bearbeiteten Holzreliefs von Mathias Hornung sehen. In Halle 1 zeigt die Galerie Friese aus Berlin
in einer sogenannten One-Artist-Show eine Auswahl der Zeichnungen von Ambra Durante. Sie hinterlässt ihre Spuren auf Karton, zerbrochenen Glasscheiben oder extra für die Messe auf den Rückseiten
von Tickets der Berliner Verkehrsbetriebe. Ob kleine Männchen, animalische Wesen oder weniger klar zu definierende Figuren: jede einzelne Fahrkarte wird so zu einem Mini-Kunstwerk. Gleich daneben
hängt eine Hommage an die Sängerin Billie Eilish, gespickt mit feinen Details.
In Halle 2 haben sich die Galeristen Leander Rubrecht aus Wiesbaden und Marieke Severens aus Maastricht (Niederlande) zusammengetan. Mit Hilfe der beiden Standorte und einem regelmäßigen
Austausch wollen sie den durch ihre Galerien vertretenen Künstlerinnen und Künstlern zu mehr Sichtbarkeit und Renommee verhelfen, wie Rubrecht erklärt. Gerade bei noch lebenden Künstlern habe
manch potenzieller Sammler Zweifel, wie sich die Preise entwickeln. "Wenn zwei Galerien in einen Künstler investieren, kann man davon ausgehen: das lohnt sich."
Unter anderem zeigen sie Werke der Belarussin Lena Krashevka, die laut Rubrecht zwar in ihrer Heimat das Handwerk in höchster Qualität lernte. Erst als sie von Minsk nach Köln kam, sei sie aber
"total explodiert". In mehreren Bildern widmet sich Krashevka der Oberflächlichkeit von Schönheit: Sie zeigt attraktive Personen - allerdings diffus, verschwommen, unnahbar. Deutlich
augenfälliger prangen Farbkleckse auf den Porträts und stechen hervor wie Narben.
Unser Messestand zur Art Karlsruhe 2022
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