THEMENBEREICHE
CAPRICCIO (2021– )
Visualisierte Musik, Synästhetik beschreibt in knappester Form diesen Zyklus. Zu ausgewählten Musikstücken sind im Moment des Hörens Zeichnungen entstanden, auf denen der “Pinsel” über das Blatt tanzt und gleichsam den Duktus des Dirigierens nachempfindet. Dies alles gestisch und subjektiv; dabei dennoch nach reiflicher Überlegung und Vorbereitung. Die Tusche wird mit sorgfältig ausgesuchten Pflanzenteilen auf das Papier aufgetragen, die mehrfarbigen Blätter müssen zwischendurch trocknen, Zeit vergeht. Das Stück wird vielfach gehört, die einzelnen Sätze zu einem Extrakt verdichtet. Meist sind es Kammermusikstücke ohne menschliche Stimme (eine Ausnahme bilden die Madrigalen). Es geht um eine spielerische Umsetzung der musikalischen Idee in eine bildnerische, die keinen Anspruch auf musikwissenschaftliche Bedeutung erhebt. Jede Zeichnung trägt als Titel den Komponisten und das Werk, doch bilden sie alle gemeinsam quasi ein Capriccio. Diesen Überbegriff definierte bereits im sechzehnten Jahrhundert Giorgio Vasari als den absichtlichen und lustvollen Regelverstoß in der Musik, Malerei und Literatur. Die Phantasie steht im Mittelpunkt und erlaubt eine Überschreitung von akademischen Normen, die nicht an Bedeutung verlieren, jedoch hinter den künstlerischen Eigensinn zurücktreten.
Die Künstlerin bildet ihre individuellen Persönlichkeit ab, versteht die Zeichnung jedoch gleichzeitig als ein Angebot an den Betrachter, eigene Interpretationen zuzulassen. Die Assoziationen sind vielfältig und spiegeln das breite Spektrum der menschlichen Auffassung. Bleibt hierbei von der Musik nichts zurück als der Titel, so wurde sie vielleicht nur “benutzt”. Doch diese Zeichnungen öffnen sich für Fragen, auf die es keine finale Antwort gibt, vielmehr sind sie Ausdruck der nur in den Künsten erfassbaren Suche nach Erkennen innerer Zusammenhänge.
UNSER TÄGLICH BROT GIB UNS HEUTE + Die PARTITUR DES WINDES (2019–2021)
Entstanden sind diese Tuschezeichnungen bei einem Artist-in-Residence Aufenthalt auf Schloß Plüschow in der weiten Landschaft Mecklenburgs. Riesige Felder ohne nennenswerte Erhebungen bilden überwiegend horizontale, beschwingte Linien, denen der regelmäßige Rhythmus der sie bearbeitenden Maschinen gleichsam eingraviert ist. Intypischer Backsteingotik erbaute Kirchen erinnern daran, dass die Erschließung dieser Kornkammer auch ein Projekt der Christianisierung des nordöstlichen Europas war. Der Titel Unser täglich Brot gib uns heute, eine Zeile aus dem Vaterunser, verweist auf die übergeordnete christliche Bedeutung des Themas und umfasst gleichfalls seine Funktion als Grundnahrungsmittel.
Sämtliche Zeichnungen sind mit Strohhalmen oder Ähren des Weizens ausgeführt. Umbra (gebrannte Erde) wurde als Tusche mit den verschiedenen Weizenelementen auf chinesisches Papier aufgetragen, präsentiert wird als Ergebnis stets die Rückseite. In dieser Weise adaptieren die Zeichnungen die klassische Hinterglasmalerei und erzeugen trotz des feinen Papiers eine enorme Tiefenwirkung mit sehr kräftigem Materialcharakter. Stoppelfelder, Ackerfurchen, Rundballen und Strohgarben werden als Motiv aufgegriffen, lassen jedoch durch die sehr reduzierte und abstrahierte Umsetzung weitreichende Assoziationen zu.
MAKRORINDEN (2016–2018)
Mythos und Kulturgeschichte des Baumes bilden die Wurzeln dieses Zyklus´. Dargestellt sind stark vergrößerte Ausschnitte aus Baumrinden in ihren idealtypischen Strukturen, Baupläne der Natur, die dem natürlichen Kontext entzogen eine irritierende Eigenständigkeit und Abstraktion erzeugen. Die Makroansichten auf spezifische Details verdeutlichen in der Vergrößerung einerseits die einzigartige Ästhetik der Baumrinden, doch verweisen sie gleichfalls auf verwandte Strukturen in gänzlich anderen stofflichen Zusammenhängen. Prägung und Erfahrung des individuellen Betrachters rufen höchst unterschiedliche Assoziationen hervor. Somit spiegeln sie sowohl in den Zeichnungen als auch den Tafelbildern eine Vielschichtigkeit wider, die Fragen nach inhärenten Zusammenhängen aufwerfen. Festgehalten sind Momentaufnahme der stets sich erneuernden Natur, die sich durch Wiederholung des ihr eigenen Prinzips der Vergänglichkeit widersetzt.
Der Fokus der Werkgruppe Makrorinden liegt auf teils großformatigen Tafelbildern, die sich durch eine reliefähnliche Oberflächenstruktur in Verbindung mit subtiler Farbgebung auszeichnen. Ausgehend von Skizzen entwickelt sich im Arbeitsprozess der finale Bildaufbau. Der Materialauftrag erfolgt in zahlreichen Schichten, die von sehr pastos bis lasierend ein großes Spannungsfeld erzeugen und charakteristisch für die Arbeitsweise der Künstlerin sind.